Neunter (und letzter) Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
Di. 08.10. Computerarbeit: Diavortrag
Computerarbeit: Tätigkeitsbericht
Umpacken Auftriebskörper
Sedimentfalle, Packen Mikroskope
HHG
Bezirksregierung
Klaas
Fahrt in östlicher Richtung,
Zügelpinguine, Pelzrobben
Mi. 09.10. Schichtdienst CTD
Abbau DOMO Tent, Verstauen Tauchausrüstung
Tagesbriefing/Vorträge
Klaas
FreierFahrtleitung
Blas von drei Großwalen,
Zügelpinguine, Southern ACC
Do. 10.10. Schichtdienst CTD
Tagesbriefing/Vorträge
Klaas
Fahrtleitung
Polarfront passiert
Fr. 11.10. Schichtdienst CTD
Tagesbriefing/Vorträge
Klaas
Fahrtleitung
Ende CTDs, KursKapstadt
Sa. 12.10. Computerarbeit: Diavortrag
Verstauen Mikroskoplabor
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Klaas
Fahrtleitung
So. 13.10. Computerarbeit: Wochenbericht
Putzen Labore
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Klaas
Fahrtleitung

In dieser Woche wurden die letzten wissenschaftlichen Arbeiten an Bord beendet. Dazu stand noch einmal ein CTD-Transekt an. Entlang des nullten Längengrades (Greenwich) wurde in nördlicher Richtung alle 30 Seemeilen eine CTD-Sonde auf 1000 m abgelassen und die Wasserproben aus unterschiedlichen Tiefen untersucht. Die Breitengrade wurden dabei so gewählt, dass alle unterschiedlichen Strömungen und Wassermassen, die man passiert, wenn man die Antarktis in nördlicher Richtung verlässt, erfasst wurden. Dazu gehört zum Beispiel die große Meeresströmung, die die Antarktis im Uhrzeigersinn umfließt (ACC: Antarctic Circumpolar Current) und die Antarktis sozusagen vom Rest der Welt isoliert. Wenn unterschiedliche Wassermassen aufeinandertreffen, die Wissenschaftler sprechen von Fronten, dann ist das häufig mit einem Aufströmen von Tiefenwasser verbunden (upwelling). Dadurch werden Mineralien aus der Tiefsee in die oberen Wasserschichten transportiert, wo sie von Planktonalgen aufgenommen werden, die sich gut vermehren und den Anfang der Nahrungskette bilden. So wurden zwischen den CTDs dann auch Planktonnetze gefahren, um das Leben in den unterschiedlichen Wassermassen mengenmäßig erfassen zu können.

Für mich bedeutete das Schichtdienst von 04.00 – 12.00 Uhr. Wenn die CTDs hochkamen, habe ich erst einmal mehrere Wasserproben aus unterschiedlichen Tiefen entnommen, die dann aufbereitet werden mussten. Einige der Proben wurden durch verschiedene Filter gesaugt, so dass die Schwebeteilchen im Wasser auf dem Filter hängenblieben. Daran wurde dann zum Beispiel der Chlorophyllgehalt untersucht, der Auskunft über die Algenmenge (Phytoplankton) gibt. Diese Untersuchung erfolgte bereits an Bord. Andere Filter mussten getrocknet und für den Transport nach Bremerhaven vorbereitet werden. Dort wird dann u. a. der Kohlenstoffgehalt der Filter untersucht, der Rückschlüsse auf das Phyto- und Zooplankton zulässt. Außerdem wurden weitere Proben mit Formalin- und Iodlösungen fixiert, um sie für detaillierte mikroskopische Untersuchungen in Bremerhaven haltbar zu machen. Nach der Schicht standen dann noch diverse Pack- und Aufräumarbeiten an oder es mussten Berichte geschrieben, Fotos und Videosequenzen für einen Diavortrag vorsortiert oder Ideen für Unterrichtsmaterial zusammengetragen werden. Außerdem stellen die unterschiedlichen Arbeitsgruppen beim abendlichen Meeting ihre vorläufigen Forschungsergebnisse dieser Expedition vor. Das ist für mich natürlich besonders interessant, weil ich da in kürzester Zeit sehr komprimierte Informationen erhalte und auch die ein oder andere Abbildung oder das ein oder andere Diagramm für Unterrichtsmaterialien abstauben kann.

Also über Langeweile kann man sich an Bord wirklich nicht beklagen. Es ist schon eine sehr intensive und hochinteressante, zum Teil aber auch sehr anstrengende Zeit, die jetzt so langsam zu Ende geht. Das Schiff leert sich zusehend, die meisten Geräte und Laborausstattungen sind in den Containern verschwunden und dort, wo in den letzten zwei Monaten das Forscherleben tobte, werden die letzten Kisten gepackt und beschriftet, es wird gespült, geputzt und gefegt, damit die nächsten Wissenschaftler, die schon Ende Oktober wieder von Kapstadt aus in die Antarktis starten, die gleichen hervorragenden Forschungsbedingungen vorfinden, wie wir vor zwei Monaten in Punta arenas.
Auf der Fahrt nach Norden ändern sich jetzt sehr schnell Wasser- und Lufttemperatur und jeder an Bord freut sich auf den Frühling in Südafrika. Wir werden jetzt noch etwa vier Tage bis Kapstadt brauchen und halten dann am Horizont nach dem Tafelberg, dem Wahrzeichen Kapstadts, Ausschau. Damit wird es jetzt auch Zeit, meine „Live-Berichterstattung“ von der Südhalbkugel zu beenden. Ich hoffe, dass Euch und Ihnen diese Informationen Spaß gemacht haben und dass Ihr einen Eindruck vom Leben auf dem außergewöhnlichen Forschungsschiff POLARSTERN gewinnen konntet. Ich habe jede Minute genossen, freue mich jetzt aber auf meine Familie, auf Land und auf Bäume.
Ein herzliches Dankeschön an das AWI, an Fahrtleiterin Dr. Bettina Meyer und alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord, an Kapitän Stefan Schwarze und seine POLARSTERN-Crew und natürlich an Schulleiter Detlef von Elsenau und alle Kolleginnen und Kollegen am HHG sowie die Bezirksregierung in Arnsberg. Ein spezielles Dankeschön geht an Oliver Gorski, der diesen Internet-Blog eingerichtet und gefüttert hat und an meine Familie, die zwei Monate lang das Schiff ZUHAUSE ohne mich gesteuert hat.

Wir sehen uns am HHG oder sonst wo!

Schöne Grüße

Torsten Nitsch

Achter Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
So. 29.09. Nachbereitung Eiscamp
Mikroskopieren/Fotographieren Eislebensgemeinschaft
Tagesbriefing/Vorträge
Damms/Freier
HHG
Fahrtleitung
Fahrt zu den South Sandwich Islands, RMT, SUIT, CTD
Mo. 30.09. Mikroskopieren/Fotographieren Darminhalt adulter Krill
Nachbereitung Eiscamp Tauchgruppe
Computerarbeit Unterrichtsmaterialien
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Freier
HHG
Fahrtleitung
Adelie-Pinguine, Schneesturmvögel, South Sandwich Islands
Di. 01.10. Telefonat mit dem Biologie-LK am HHG
Mikroskopieren/Fotographieren Eislebensgemeinschaft
Computerarbeit Unterrichtsmaterial
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
HHG
HHG
Fahrtleitung
Sedimentfalle ausgesetzt
Mi. 02.10. Computerarbeit Unterrichtsmaterialien
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Fahrtleitung
Fahrt nach Montagu, RMT, SUIT, CTD
Do. 03.10. Computerarbeit Unterrichtsmaterialien
Mikroskopieren Lebensgemeinschaft Eisbohrkerne
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
HHG
Fahrtleitung
Sturm, Ross Seal
Target Trawls 
Fr. 04.10. Mikroskopieren
Computerarbeit Bilddokumentation
Bilddokumentation Tauchgang vom Zodiak
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
HHG
Freier
Fahrtleitung
Target Trawls, Nachttauchgang MIZ, Adeliepinguine
Sa. 05.10. Mikroskopieren
Bilddokumentation Tauchgang vom Zodiak
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Freier
Fahrtleitung
Minkewal, Crabeater, Ende der Untereisarbeiten, Fahrt in östlicher Richtung zum Nullmeridian (Greenwich)
So. 06.10. Verpacken und Verstauen Tauchmaterial
Freier Fahrt in östlicher Richtung, Zügelpinguine, Eisberge, Robben, Blauwal, Abschied vom Eis
Mo. 07.10. Verpacken Polarausrüstung
Computerarbeit Wochenbericht
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Fahrtleitung
Fahrt in östlicher Richtung, Zügelpinguine

Abschied vom Eis

Nach der Beendigung des zweiten Eiscamps ging es in dieser Woche schrittweise aus der Meereiszone heraus. Dazu fuhren wir zuerst in nördlicher Richtung. Unser erstes Ziel waren die South Sandwich Inseln, eine Inselgruppe vulkanischen Ursprungs. Dort wurde erst die geborgene Sedimentfalle wieder zur nächsten Messung versenkt. Sie wird in den nächsten ein bis zwei Jahren in die Tiefsee absinkende Partikel auffangen und dann wieder geborgen werden. Anschließend ging es auf die östliche Leeseite der South Sandwich Insel Montagu, wo wir einen heraufziehenden Sturm abwetterten. Der Gletscher der Insel, der in Ost-West-Richtung zwischen zwei Bergen liegt, wirkte beim Sturm wie eine Düse und brachte Windstärken von bis zu 100 m/s. Dabei kühlte sich die Luft beim Fließen über den Gletscher deutlich ab. Diese sogenannten katabatischen Fallwinde sind berüchtigt und gefürchtet. Sie machten den Aufenthalt an Deck echt ungemütlich und man musste sich schon gut an der Reling festhalten, um nicht umgeweht zu werden. Innerhalb von Minuten war man komplett ausgekühlt und musste zum „Auftauen“ Schutz unter Deck suchen. Echt abenteuerlich! Eine Flucht aus dem Windschatten der Insel heraus brachte dann zwar etwas stärkeren Seegang, aber deutlich weniger Wind, sodass die wissenschaftlichen Arbeiten fortgeführt werden konnten. Diese dienten in dieser Woche der Komplettierung der Messdaten.

Ein Ziel der Expedition ist die Erforschung des Krills unter dem Eis und im Freiwasser der Eisrandzone (MIZ: marginal ice zone). Das ist die Packeisgrenze, die durch dünner werdendes Meereis, Eisberge und offene Wasserflächen zwischen den Eisschollen gekennzeichnet ist. Dort wurden jetzt vermehrt und rund um die Uhr horizontale und vertikale Planktonnetze entlang eines Zickzack-Transektes gefahren. Ein wichtiges Hilfsmittel war dabei das Fischecholot, mit dessen Hilfe Krillschwärme im Wasser lokalisiert werden können. Außerdem konnte das Tauchteam vom Schlauchboot aus bei Tag- und Nachttauchgängen die Beobachtungen der Eiscamps voll bestätigen. Die Film- und Fotoaufnahmen der Taucher zeigen am Tage Millionen von Krilllarven unter dem Meereis, die in der Nacht in die Wassersäule absinken, sodass die Nachtfotos wie leergefegt sind. Diese Aufnahmen werden jetzt quantitativ ausgewertet, d. h. die Larven werden am Computer gezählt und ihre Anzahl anschließend auf die Untereisfläche bezogen. So wird es möglich, die Krill-Biomasse unter dem Meereis abzuschätzen. Außerdem wird das Vorkommen auf waagerechten, senkrechten und überhängenden Eisbereichen verglichen. Diese Detailarbeit liefert wichtige Informationen über das Verhalten des Krills und die Bedeutung der verschiedenen Meereisbereiche für seine Entwicklung.

An Bord fanden in dieser Woche außerdem Wachstumsexperimente an den gefangenen Krilllarven statt. Dazu wurden ca. 100 – 200 Tiere einzeln mit Seewasserdurchfluss bei der gleichen Temperatur wie in ihrem natürlicher Lebensraum für vier Tage gehältert. Einmal täglich wurde kontrolliert, ob sie sich gehäutet haben. Aus dem Größenvergleich zwischen der alten Chitinhaut und dem Tier nach dem „Schlüpfen“ kann dann die Wachstumsrate jedes einzelnen Tiers bestimmt werden (IGR: Individual Growth Rate). Anschließend wurden die Tiere zur weiteren Untersuchung in Bremerhaven bei – 80 °C eingefroren, wo dann der Fettsäuregehalt der Tiere gaschromatographisch untersucht wird. Zusammen mit der Messung stabiler Kohlenstoffisotope kann man dann Aussagen über deren Nahrungsquelle treffen.

Nach dieser spannenden und für die Krill- und Planktonarbeitsgruppen an Bord extrem anstrengenden Woche sind wir jetzt entlang der Packeisgrenze in Richtung Osten unterwegs. Ziel ist der nullte Längengrad (Greenwich-Meridian) und so wird heute Nacht die Bordzeit wieder um eine Stunde vorgestellt, so dass wir nur noch zwei Stunden hinter der mitteleuropäischen Sommerzeit zurück sind. Es geht halt so langsam heimwärts. Gestern hatte ich nach morgendlichen Pack- und Aufräumarbeiten Gelegenheit, meinen persönlichen Abschied vom einzigartigen Lebensraum Meereis zu nehmen. Ich habe mich mit einem Fernglas bewaffnet drei Stunden lang auf die Brücke gesetzt und die vorbeiziehenden Eisberge, Robben und Zügelpinguine genossen. So groß, so weit, so lebendig, so weiß und doch so farbenfroh, so unfreundlich, so unbeschreiblich schön und doch so brüchig und unendlich empfindlich ist dieser

Lebensraum Meereis …

Wehmütige Grüße vom anderen Ende der Welt

Torsten Nitsch

Siebter Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
Fr. 20.09. Eisarbeit Bohrkerne
Tagesbriefing/Vorträge
Damms
Fahrtleitung
Eisarbeit
Sa. 21.09. Eisarbeit Bohrkerne Ridge
Tagesbriefing/Vorträge
Damms
Fahrtleitung
Eisarbeit
So. 22.09. Eisarbeit Bohrkerne Ridge
Eisarbeit Bohrkerne Transekte
Mikroskopieren/Fotographieren Plankton, Eisalgen
Sicherheitsdienst Beobachtung Eiscamp
Tagesbriefing/Vorträge
Damms
Fahrtleitung
HHG
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Transektarbeit/MASMA Tauchteam
Mo. 23.09. Eisarbeit Bohrkerne Transekte
Tagesbriefing/Vorträge
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Transektarbeit Tauchteam
Di. 24.09. Teilnahme an Koordinationsmeeting Forschungsgruppen
Mikroskopieren/Fotographieren Lebensgemeinschaft Eisbohrkerne
Sicherheitsdienst Brücke
Mithilfe Nachttauchgänge (Transektarbeit)
Fahrtleitung
HHG
Fahrtleitung
Freier
Transektarbeit Tauchteam, eine Krabbenfresserrobbe am Tauchloch
Mi. 25.09. Computerarbeit: Logo Competition
Tagesbriefing/Vorträge
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Vorstellung der Vorschläge für das offizielle Fahrtlogo
Do. 26.09. Eisarbeit: Transektleinen
Computerarbeit: Wochenbericht
Tagesbriefing/Vorträge
Freier
HHG
Fahrtleitung
Transektarbeit, MASMA Tauchteam
Fr. 27.09. Computerarbeit: Wochenbericht beendet
Eisarbeit: Unterstützung Taucheinsatz
Eisarbeit: Beginn Abbau Eiscamp II
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Freier
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Ende Taucheinsätze
Sa. 28.09. Eisarbeit: Eisbohrkerne Transekte
Mikroskopieren/Fotographieren Eislebensgemeinschaft
Sicherheitsdienst Brücke
Tagesbriefing/Vorträge
Meyer
Meyer/HHG
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Ende Eisarbeiten
Abbau Eiscamp II

Die zweite Scholle hat sich als hervorragender Standort für das zweite Eiscamp erwiesen. Sie weist sowohl unter als auch über dem Eis eine hohe Heterogenität auf und ist darüber hinaus stabiler als die erste Scholle, so dass sie von den verschiedenen Forschungsteams intensiv untersucht werden konnte. Die Arbeiten sind jetzt beendet, die meisten Proben und Ergebnisse sind gesichert und ich möchte etwas näher auf die zurückliegende Arbeit im Eiscamp eingehen.

Sie begann mit der Erkundung der Eisscholle durch ein Sicherheitsteam, wobei mit Stangen die Stabilität wie von einem Lawinensuchtrupp getestet wurde. Anschließend zogen die Eisphysiker einen Schlitten mit einem Messgerät über das Gebiet, das zum Betreten der Scholle freigegeben werden sollte. Dieses Gerät sendet elektromagnetische Wellen aus, die an der Grenzfläche zwischen Meereis und Meerwasser ein elektrisches Feld induzieren. Anhand des elektrischen Feldes wird dann die Dicke des Eises errechnet. Anschließend wurde das untersuchte Gebiet mit Flaggen gekennzeichnet. Mit Flaggen wurde auch der sogenannte „Highway“ abgesteckt. Das ist die Versorgungsstrecke zwischen Polarstern und dem Eiscamp. Diese Ausflaggung ist extrem wichtig, da die Sicht auf der Scholle innerhalb weniger Minuten durch Schnee, Wind und Nebel auf nahezu Null sinken kann. Ganz extrem ist ein sogenannter Whiteout, bei dem keine Konturen mehr erkannt und auch die Trennung zwischen Eis und Horizont nicht mehr wahrgenommen werden kann. In einer solchen Situation sind die Flaggen die einzige Orientierungsmöglichkeit auf dem Eis. Bei Whiteout wird die Eisarbeit sofort eingestellt und die Scholle bis zur Besserung der Sichtverhältnisse gesperrt.

Nach Sicherung und Ausflaggung wurde mit Hubschrauber und Skidoos das Material zur Errichtung des Eiscamps hinaustransportiert. Eine Schlüsselrolle nahmen dabei die Zelte ein, die Mensch und Material vor Wind, Schnee und niedrigen Temperaturen schützen. Ohne sie wäre ein längerer Arbeitseinsatz auf dem Eis, wie er für die Tauchuntersuchungen und den Observation durch das ROV erforderlich war, unmöglich. Da gibt es das große DOMO Tent, das über dem Tauchloch aufgebaut wurde. Das Tauchloch wurde zuvor mit einem Kettenfahrzeug (Digger) gebohrt. Das Domo Tent ist elektrifiziert und beleuchtet und ermöglicht einen Taucheinsatz bei Tag und bei Nacht. Den Strom liefert ein benzingetriebener Generator, der in einem Scott Tent steht. Diese Konstruktion wurde schon von Scott bei seinem Versuch benutzt, als erster Mensch den Südpol zu erreichen und wird heute noch nahezu baugleich eingesetzt. Gute Sachen sind halt schwer zu verbessern. Komplettiert wurde das Camp durch die sogenannte Tomate, eine rote Kunststoffkuppel, die sehr stabil ist und als Rückzugsraum bei Pausen dient. Sie hat darüber hinaus die Aufgabe, das Überleben eines Teams zu sichern, falls es einmal durch einen plötzlichen Bruch der Scholle längere Zeit auf sich selbst gestellt ist. Man darf bei der Eisarbeit nicht vergessen, dass man sich auf einem z. T. nur 50 cm dicken Extremlebensraum befindet, der durch das Südpolarmeer driftet. Das ist – 1,5 °C kalt und bis zu 6500 m tief. Die Temperaturen bewegen sich zwischen 0 und – 20 °C und der Wind weht mit bis zu 8 Windstärken. Für die gefühlte Temperatur bedeutet das extreme – 50 °C. Polarkleidung, Handschuhe, Augen- und Hautschutz sind überlebenswichtig.

Ein Beispiel für internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit ist das Tauchteam. Geleitet wird das Team von Ulrich Freier aus Wittmund. Stellvertretender Tauchleiter ist Gernot Nehrke aus Bremerhaven. Weitere Forschungstaucher sind Sven Kerwath und Albrecht Götz aus Südafrika, Mathias Teschke aus Bremerhaven und Noyan Yilmaz aus Istanbul in der Türkei. Komplettiert wird das Team vom Tauchtechniker Borwin Schulze aus Neuss. Die Logistik des Tauchteams wird durch Lutz Auerswald aus Kapstadt in Südafrika unterstützt.

Für die Untereisarbeit des Tauchteams wurden Transektleinen vom Tauchloch zu verschiedenen Sicherheitslöchern gespannt, die mit Längenmarkierungen versehen waren. Diese wurden von den Tauchern mehrmals täglich abgetaucht, wobei das Leben unter dem Eis mit Kameras festhalten wurde. Die Taucher konnten dabei über ein Akustikkabel mit einem Teammitglied über Wasser kommunizieren und so punktgenau ihre Beobachtungen berichten. Diese Beobachtungen liefern wichtige Informationen über das Verhalten der Krilllarven, die auf das Meereis als Lebensraum angewiesen sind. So hat sich in dieser Woche herausgestellt, dass sich die Larven tagsüber direkt an der Grenze zwischen Wassersäule und Meereis befinden. Sie finden dort Nahrung, die aus Salzwasserkanälchen (Brine Channels) herausfließt. Die Nahrung besteht aus Kieselalgen und wahrscheinlich auch aus Bakterien, die sich vom Schleim der Kieselalgen ernähren. Die Larven bevorzugen dabei sogenannte „overrafted areas“. Das sind zerklüftete Regionen unter dem Meereis, die ihnen Schutz vor Räubern und Strömung bieten. In der Abenddämmerung verlassen die Larven das Meereis und lassen sich in die Wassersäule unter dem Meereis absinken. Sie fressen dort wahrscheinlich Zooplankton und sind fein verteilt für Räuber in der Nacht nahezu unsichtbar.

Die Taucher fingen außerdem Krilllarven mit einem MASMA. Das ist eine Wasserpumpe, die mit einem 50 m langen Schlauch versehen ist und die Larven in einen Edelstahlbehälter saugt, der mit einem engmaschigen Planktonnetz ausgestattet ist. An Bord von Polarstern konnten die Larven dann weiter untersucht werden (Größe, Larvenstadium, Ernährungszustand, Darminhalt). Außerdem werden an Bord mit den Larven Lichtexperimente durchgeführt um zu untersuchen, wie ihre „innere Uhr“ arbeitet und gesteuert wird.

Ich habe in dieser Woche tatkräftig beim Aufbau des Eiscamps mitgeholfen und das Tauchteam bei seinen Außeneinsätzen unterstützt. Außerdem habe ich für verschiedene Arbeitsgruppen Eiskerne gebohrt und geschmolzene Eisproben mikroskopisch untersucht. Zwischendurch habe ich Sicherheitsdienst auf der Brücke gehabt, wobei mit dem Fernglas die verschiedenen Arbeitsgruppen beobachtet werden. Außerdem muss die Eisscholle kontinuierlich beobachtet werden um bei plötzlich auftretenden Rissen die Außenteams rechtzeitig warnen zu können. Eine weitere Gefahr, insbesondere für das Tauchteam, können Seeleoparden darstellen. Das ist eine räuberische Robbenart, die Robben und Pinguine frisst und auch Menschen angreift. Bei jeder Sichtung von Tieren wurde deshalb sofort das Tauchteam und das ROV-Team mit dem Funkgerät informiert. Bei einem Nachttaucheinsatz ist dann auch plötzlich eine friedliche Krabbenfresserrobbe aus dem Tauchloch aufgetaucht und hat sich das DOMO Tent und das Tauchteam genauer angeschaut. Nachdem ihre Neugier befriedig war, ist sie dann nach etwa zwei Minuten wieder ganz ruhig abgetaucht und hat sich auf Nahrungssuche begeben. Da ist es schon wichtig, dass das Tauchloch Tag und Nacht mit einer Unterwasserkamera beobachtet wird und man so vor bösen Überraschungen geschützt ist. Die Robbe hatte sich in der Nacht zuvor schon mehrfach am Tauchloch gezeigt und wurde vom Bewegungsmelder der Kamera erfasst. So war diese Begegnung der dritten Art für alle Anwesenden, auch für mich, ein unvergessliches Erlebnis.

Schöne Grüße vom Rand des Weddellmeeres!

Torsten Nitsch

To be continued …