Achter Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
So. 29.09. Nachbereitung Eiscamp
Mikroskopieren/Fotographieren Eislebensgemeinschaft
Tagesbriefing/Vorträge
Damms/Freier
HHG
Fahrtleitung
Fahrt zu den South Sandwich Islands, RMT, SUIT, CTD
Mo. 30.09. Mikroskopieren/Fotographieren Darminhalt adulter Krill
Nachbereitung Eiscamp Tauchgruppe
Computerarbeit Unterrichtsmaterialien
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Freier
HHG
Fahrtleitung
Adelie-Pinguine, Schneesturmvögel, South Sandwich Islands
Di. 01.10. Telefonat mit dem Biologie-LK am HHG
Mikroskopieren/Fotographieren Eislebensgemeinschaft
Computerarbeit Unterrichtsmaterial
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
HHG
HHG
Fahrtleitung
Sedimentfalle ausgesetzt
Mi. 02.10. Computerarbeit Unterrichtsmaterialien
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Fahrtleitung
Fahrt nach Montagu, RMT, SUIT, CTD
Do. 03.10. Computerarbeit Unterrichtsmaterialien
Mikroskopieren Lebensgemeinschaft Eisbohrkerne
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
HHG
Fahrtleitung
Sturm, Ross Seal
Target Trawls 
Fr. 04.10. Mikroskopieren
Computerarbeit Bilddokumentation
Bilddokumentation Tauchgang vom Zodiak
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
HHG
Freier
Fahrtleitung
Target Trawls, Nachttauchgang MIZ, Adeliepinguine
Sa. 05.10. Mikroskopieren
Bilddokumentation Tauchgang vom Zodiak
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Freier
Fahrtleitung
Minkewal, Crabeater, Ende der Untereisarbeiten, Fahrt in östlicher Richtung zum Nullmeridian (Greenwich)
So. 06.10. Verpacken und Verstauen Tauchmaterial
Freier Fahrt in östlicher Richtung, Zügelpinguine, Eisberge, Robben, Blauwal, Abschied vom Eis
Mo. 07.10. Verpacken Polarausrüstung
Computerarbeit Wochenbericht
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Fahrtleitung
Fahrt in östlicher Richtung, Zügelpinguine

Abschied vom Eis

Nach der Beendigung des zweiten Eiscamps ging es in dieser Woche schrittweise aus der Meereiszone heraus. Dazu fuhren wir zuerst in nördlicher Richtung. Unser erstes Ziel waren die South Sandwich Inseln, eine Inselgruppe vulkanischen Ursprungs. Dort wurde erst die geborgene Sedimentfalle wieder zur nächsten Messung versenkt. Sie wird in den nächsten ein bis zwei Jahren in die Tiefsee absinkende Partikel auffangen und dann wieder geborgen werden. Anschließend ging es auf die östliche Leeseite der South Sandwich Insel Montagu, wo wir einen heraufziehenden Sturm abwetterten. Der Gletscher der Insel, der in Ost-West-Richtung zwischen zwei Bergen liegt, wirkte beim Sturm wie eine Düse und brachte Windstärken von bis zu 100 m/s. Dabei kühlte sich die Luft beim Fließen über den Gletscher deutlich ab. Diese sogenannten katabatischen Fallwinde sind berüchtigt und gefürchtet. Sie machten den Aufenthalt an Deck echt ungemütlich und man musste sich schon gut an der Reling festhalten, um nicht umgeweht zu werden. Innerhalb von Minuten war man komplett ausgekühlt und musste zum „Auftauen“ Schutz unter Deck suchen. Echt abenteuerlich! Eine Flucht aus dem Windschatten der Insel heraus brachte dann zwar etwas stärkeren Seegang, aber deutlich weniger Wind, sodass die wissenschaftlichen Arbeiten fortgeführt werden konnten. Diese dienten in dieser Woche der Komplettierung der Messdaten.

Ein Ziel der Expedition ist die Erforschung des Krills unter dem Eis und im Freiwasser der Eisrandzone (MIZ: marginal ice zone). Das ist die Packeisgrenze, die durch dünner werdendes Meereis, Eisberge und offene Wasserflächen zwischen den Eisschollen gekennzeichnet ist. Dort wurden jetzt vermehrt und rund um die Uhr horizontale und vertikale Planktonnetze entlang eines Zickzack-Transektes gefahren. Ein wichtiges Hilfsmittel war dabei das Fischecholot, mit dessen Hilfe Krillschwärme im Wasser lokalisiert werden können. Außerdem konnte das Tauchteam vom Schlauchboot aus bei Tag- und Nachttauchgängen die Beobachtungen der Eiscamps voll bestätigen. Die Film- und Fotoaufnahmen der Taucher zeigen am Tage Millionen von Krilllarven unter dem Meereis, die in der Nacht in die Wassersäule absinken, sodass die Nachtfotos wie leergefegt sind. Diese Aufnahmen werden jetzt quantitativ ausgewertet, d. h. die Larven werden am Computer gezählt und ihre Anzahl anschließend auf die Untereisfläche bezogen. So wird es möglich, die Krill-Biomasse unter dem Meereis abzuschätzen. Außerdem wird das Vorkommen auf waagerechten, senkrechten und überhängenden Eisbereichen verglichen. Diese Detailarbeit liefert wichtige Informationen über das Verhalten des Krills und die Bedeutung der verschiedenen Meereisbereiche für seine Entwicklung.

An Bord fanden in dieser Woche außerdem Wachstumsexperimente an den gefangenen Krilllarven statt. Dazu wurden ca. 100 – 200 Tiere einzeln mit Seewasserdurchfluss bei der gleichen Temperatur wie in ihrem natürlicher Lebensraum für vier Tage gehältert. Einmal täglich wurde kontrolliert, ob sie sich gehäutet haben. Aus dem Größenvergleich zwischen der alten Chitinhaut und dem Tier nach dem „Schlüpfen“ kann dann die Wachstumsrate jedes einzelnen Tiers bestimmt werden (IGR: Individual Growth Rate). Anschließend wurden die Tiere zur weiteren Untersuchung in Bremerhaven bei – 80 °C eingefroren, wo dann der Fettsäuregehalt der Tiere gaschromatographisch untersucht wird. Zusammen mit der Messung stabiler Kohlenstoffisotope kann man dann Aussagen über deren Nahrungsquelle treffen.

Nach dieser spannenden und für die Krill- und Planktonarbeitsgruppen an Bord extrem anstrengenden Woche sind wir jetzt entlang der Packeisgrenze in Richtung Osten unterwegs. Ziel ist der nullte Längengrad (Greenwich-Meridian) und so wird heute Nacht die Bordzeit wieder um eine Stunde vorgestellt, so dass wir nur noch zwei Stunden hinter der mitteleuropäischen Sommerzeit zurück sind. Es geht halt so langsam heimwärts. Gestern hatte ich nach morgendlichen Pack- und Aufräumarbeiten Gelegenheit, meinen persönlichen Abschied vom einzigartigen Lebensraum Meereis zu nehmen. Ich habe mich mit einem Fernglas bewaffnet drei Stunden lang auf die Brücke gesetzt und die vorbeiziehenden Eisberge, Robben und Zügelpinguine genossen. So groß, so weit, so lebendig, so weiß und doch so farbenfroh, so unfreundlich, so unbeschreiblich schön und doch so brüchig und unendlich empfindlich ist dieser

Lebensraum Meereis …

Wehmütige Grüße vom anderen Ende der Welt

Torsten Nitsch