Euphausia superba – Ein Schlüsselorganismus im antarktischen marinen Ökosystem
Der Fahrtabschnitt ANT-XXIX/7 WISKY (Winter Sea Ice Study on Key Species)
Fahrtleitung: Dr. PD Bettina Meyer
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)
Die Fahrt
Der Fahrtabschnitt beginnt am 14.08.2013 in Punta Arenas (Südchile) und endet am 16.10.2013 in Kapstadt (Südafrika). Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit sind Untersuchungen des Antarktischen Krills Euphausia superba.
Dabei führt die Fahrt die ca. 50 internationalen Wissenschaftler auf dem deutschen Forschungseisbrecher POLARSTERN in die Schottische See und in das nördliche Weddell-Meer, das Gebiet östlich der Antarktischen Halbinsel.
Warum werden aber so große Anstrengungen unternommen, um den Krill zu untersuchen?
Nun, das ist relativ einfach zu erklären. Die Antwort liegt im Fressen und gefressen werden. Einerseits frisst Krill Kieselalgen, die mit Hilfe des Sonnenlichtes Traubenzucker herstellen und deshalb andererseits Beute für Konsumenten höherer Ordnung wie Pinguine, Robben und Wale ist. Die antarktische Lebensgemeinschaft ist von keiner Art so abhängig wie vom Antarktischen Krill Euphausia superba. Krill nimmt also eine echte Schlüsselstellung im Antarktischen Nahrungsnetz ein. Und dabei leben 70 % des Krills in der Schottischen See und im Gebiet westlich der Antarktischen Halbinsel.
Das Problem
Die erwachsenen geschlechtsreifen Tiere halten sich im Freiwasser in einer Tiefe bis 200 m auf, während die Larven des Krills unter dem Meereis die Algen abgrasen. Weibchen werden ab dem zweiten, Männchen ab dem dritten Lebensjahr geschlechtsreif. Die Tiere leben 5 bis 7 Jahre. Euphausia superba legt dabei Eier im antarktischen Sommer zwischen Dezember und März. Die abgegebenen Eier sinken in 800 bis 1000 Meter Tiefe und der sich entwickelnde Krill durchläuft sage und schreibe 11 Larvenstadien, die sich über den antarktischen Herbst und Winter bis zum kommenden Frühjahr zum Jungtier entwickeln. Die Entwicklung zum Jungtier dauert also ca. 6 Monate. Und dabei sind die Larven eben vom Meereis abhängig.
Und das Problem stellt sich deshalb im Zuge des Klimawandels wie folgt dar:
Klimaerwärmung → weniger Meereis → weniger Krilllarven → weniger geschlechtsreife Tiere → weniger Krill → weniger Pinguine, Robben und Wale
Langzeituntersuchungen haben nämlich gezeigt, dass die starken Schwankungen des Krillbestandes mit dem weltweiten Klimawandel zu tun haben. In Teilen des Antarktischen Ozeans ist der Bestand des Krills in den letzten 30 Jahren von über 100 Tieren pro Kubikmeter Meerwasser um bis zu 80 % zurückgegangen. In der Region der westlichen Antarktischen Halbinsel, die eine der sich am schnellsten erwärmenden Regionen der Erde darstellt, hat sich gezeigt, dass der Rückgang der Adelie-Pinguine auf den Rückgang des Krillbestandes zurückzuführen ist.
Das wissenschaftliche Programm
Über Schleppnetzfänge werden die Menge, der Zustand und die Vermehrungsrate des erwachsenen Krills untersucht. Polarstern fährt dazu einen Zickzack-Transekt, immer vom nördlichen Freiwasser ins südliche Packeis. Wenn sie nicht mehr weiter kommt, macht sie am Packeis fest und es wird der Zustand des Eises und der Krilllarven unter dem Eis untersucht. Dazu werden sie von Forschungstauchern unter dem Packeis aufgesucht und mit einem speziellen Pumpsystem geerntet. Außerdem kommt hier ein ROV (Remote Operated Vessel, ferngesteuerter Unterwasserroboter) zum Einsatz. Das AWI möchte so genaue Informationen über den Zustand der Krill-Population erhalten und mehr über den Zusammenhang zwischen dem Meereis und der Entwicklung.
Ich werde als Gastwissenschaftler die Arbeitsgruppe von Frau Dr. Meyer verstärken, wenn wir uns im Freiwasser aufhalten und während der Eiscamps in der Meereisgruppe mitarbeiten. Dabei wird in drei Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Parallel dazu werde ich Ideen für spannende Unterrichtsmaterialien sammeln, die ich nach der Fahrt Schülern und Lehrern zugänglich machen werde. So versuche ich meinen Teil dazu beizutragen, dass das Bewusstsein über die Polargebiete und ihre Klimaprobleme in die Köpfe der Menschen kommt. Denn nur, wenn man Bescheid weiß, kann man etwas an der Situation ändern.
Dr. Torsten Nitsch
Quellen:
A. Atkinson et al., Nature 432, 100 (2004).
H. W. Ducklow et al.: Philosophical Transactions of the Royal Society of London Series B 362, 67 (2007).
B. Meyer: Ecophysiological studies of overwintering krill. In: G. Hempel, I. Hempel (Hrsg.): Biological studies in Polar Oceans-Exploration of life in icy waters. Wirtschaftsverlag NW. Bremerhaven 2009.
B. Meyer: Euphausia superba – Ein Schlüsselorganismus im Antarktischen marinen Ökosystem, http://www.awi.de/de/aktuelles_und_presse/hintergrund/art_des_monats/juli/.
B. Meyer et al.: Limnology and Oceanography 54, 1595 (2009).
B. Meyer et al: Marine Ecology Progress Series 398, 1 (2010)0.
Expeditionsprogramm Nr. 91, FS POLARSTERN, Koordinator: Dr. Rainer Knust, Fahrtleiter: Dr. PD Bettina Meyer, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven, März 2013.
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