Archiv des Autors: Oliver Gorski

Sechster Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
Mi. 11.09. Computerarbeit: Wochenbericht, E-Mail
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Fahrtleitung
Weitersuche Scholle für Eiscamp II
Do. 12.09. Eisprobennahme mit dem Mummychair vom Schiff aus
Tagesbriefing/Vorträge
Damms
Fahrtleitung
Krabbenfresserrobbe, Kaiserpinguine, Tauchen vom Zodiak aus
Fr. 13.09. Computerarbeit: Entwicklung von Unterrichtskonzepten
Tagesbriefing/Vorträge
HHG
Fahrtleitung

 

Weitersuche Scholle für Eiscamp II
Sa. 14.09. Computerarbeit: Entwicklung von Unterrichtsmaterial zum Thema Chlorophyll
Computerarbeit: Wettbewerb Fahrtlogo
HHGFahrtleitung Weitersuche Scholle für Eiscamp II, ab mittags Whiteout,
keine Weiterfahrt möglich, Beginn der zweiten Fahrthälfte
So. 15.09. Arbeit am Computer HHG Weiterfahrt zur Scholle für Eiscamp II
Mo. 16.09. Vorbereitung Tauchcamp
Auswertung DMSP-Messung Copepoden
Tagesbriefing/Vorträge
Freier
Damms
Fahrtleitung
Weiterfahrt zur Scholle für Eiscamp II, 2 Minkewale, Kaiserpinguine
Di. 17.09. Computerarbeit: Wettbewerb Fahrtlogo
Tagesbriefing/Vorträge
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Scholle für Eiscamp II erreicht, Sicherung der Scholle durch Sicherheitsteam, Probebohrungen, Einsatz Unterwasserkamera, Krill, ein Kaiserpinguin
Mi. 18.09. Aufbau Eiskamp
Tagesbriefing/Vorträge
Fahrtleitung/Freier
Fahrtleitung
Errichten Eiscamp II, drei Kaiserpinguine
Do. 19.09. Aufbau Eiscamp
Erstellen Wochenbericht
Sicherheitsdienst Brücke
Tagesbriefing/Vorträge
Freier
HHG
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Errichten Eiscamp, Beginn der Taucheinsätze und des ROV-Einsatzes, drei Kaiserpinguine 

Wissenschaft ist manchmal auch ein Geduldsspiel und in der Antarktis sind vor allen Dingen das Wetter und damit verbunden die Sicht-, Wind-, Eis- und Schneeverhältnisse unberechenbar. So bereitete die Suche nach der richtigen Scholle für das zweite Eiscamp allen an Bord eine nervenaufreibende Woche. Doch jetzt ist Dank Satellitenaufnahmen des Eises, Wetterberichten durch den Bordwetterdienst, Helikopterarbeit der Eisphysiker und viel Erfahrung der beteiligten Wissenschaftler, Crewmitglieder und Piloten das zweite Eiscamp erreicht und errichtet. Der Kapitän hat die 20000 PS von Polarstern dafür punktgenau in die ausgewählte Scholle hineinmanövriert ohne die Stabilität der Scholle zu gefährden. Profi eben!

Der Weg dahin war aber, auch wegen der immer wieder (im wahrsten Sinne des Wortes) auftauchenden Tiere, nie langweilig. Mal waren es zwei Minkewale, die die offenen Wasserflächen zwischen den Schollen zum Atemholen nutzten, mal die quierligen kleinen Adeliepinguine, mal eine Krabbenfresserrobbe, die sich Ihr Atemloch selbst gemacht hat und dann wieder drei Kaiserpinguine, die so etwas wie die Maskotchen des zweiten Eiscamps geworden sind, weil sie sich ohne Angst neugierig nähern, sobald ein Forscherteam auf dem Eis erscheint. Es ist schon erstaunlich, wie anders das Verhalten der Tiere in Regionen ist, in denen der Mensch nicht ihr Feind ist.

Gestern und heute war mein Haupteinsatzgebiet das Eis. Obwohl die persönliche Ausrüstung nicht besser sein kann und die Temperatur zur Zeit nur um die – 5 °C beträgt, ist das Arbeiten auf dem Eis echte Knochenarbeit. Sonnenschutz für das Gesicht und die Augen ist selbstverständlich. Das Arbeiten ohne Handschuhe ist nur für Sekunden möglich. Der Wind und das eigene Schwitzen trocknen einen schnell aus und das Stapfen im nassen Schnee ist anstrengend. Da lernt man schnell seine Grenzen kennen und seine Kräfte einzuschätzen und einzuteilen. Ohne ein funktionierendes Team ist jeder aufgeschmissen.

Heute haben die Unterwasserarbeiten begonnen. Im Gegensatz zum ersten Eiscamp, wo jugendlicher Krill unter dem Eis dominierte, sind es jetzt jüngere Larvenstadien, die die Mehrheit stellen. Das spricht nach Einschätzung der Fahrtleiterin und Krillexpertin Dr. Bettina Meyer dafür, dass wir uns momentan in einem Krill-„Brutgebiet“ (breeding point) befinden. Das ist so weit südlich eher ungewöhnlich, weil die bekannten breeding points in unserem Antarktissektor in der nördlicher gelegenen Schottischen See (scotia sea) liegen; ein wichtiges Forschungsergebnis. Während Polarstern festliegt, arbeitet rund um die Uhr eine Krillfalle des australischen Teams. Unter dem Schiff wird Wasser mit einem breiten Schlauch angesaugt und läuft über ein schiefe Ebene, die mit engmaschigem Planktonnetz bespannt ist. Das Wasser läuft nach unten durch das Netz und die Krilllarven können so schonend vom Meerwasser getrennt werden. Es zeigt sich, dass die Ausbeute der Krillfänge von der Tageszeit abhängig sind. Das spricht für eine tägliche Vertikalwanderung der Krilllarven (ein Phänomen, das mein LK schon von bestimmten Süßwasserkrebsen (Daphnien) kennt ; ).

Torsten Nitsch

To be continued …

 

Fünfter Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
Mi. 04.09. Eisprobenaufbereitung, Mikroskopie, Isolation Copepoden für
DMSP-Messung
Damms Laborarbeit, Tauchgänge
Do. 05.09. Sicherheitsdienst Eiscamp auf Brücke
Tagesbriefing/Vorträge
Fahrtleitung
Fahrtleitung
ROV, Tauchgänge
Fr. 06.09 Eisarbeit: Eisbohrkerne
Isolation Copepoden
Anfertigung Wochenbericht
Damms
Damms
HHG
Tauchgänge
Sa. 07.09. Eisprobenaufbereitung, Isolation und Mikroskopieren Copepoden für DMSP-Messung, Isolation Augen Krilllarven
Mithilfe Nachttauchgang
Handnetze 0 – 20 m (Freiwasser, Tauchcamp)
Tagesbriefing/Vorträge
Damms
Damms
Tauchteam
Fahrtleitung
Fahrtleitung
Transsektarbeit des Tauchteams
So. 08.09. Mithilfe Abbau Eiscamp
Reparatur Planktonnetz
Fahrtleitung/Tauchteam
Fahrtleitung
Auseinanderbrechen der Scholle, Abbau Eiscamp
Mo. 09.09. Mikroskopieren Plankton: Handnetz 0 – 20 m am Tauchloch Versuch der Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit, Weiterfahrt entlang des 60ten Breitengrades in östlicher Richtung
Di. 10.09. Mikroskopieren und Fotografieren Plankton Freiwasser am ersten Eiscamp
Diskussion Ergebnisse DMS-Messung Copepoden
Mitflug Helikopter: Bestandsaufnahme Wirbeltiere
Tagesbriefing/Vorträge
MeyerDammsVan Franeker

Fahrtleitung

Fahrt entlang des 60ten Breitengrades, toller Flug bei – 15 °C und strahlendem Sonnenschein: viele Krabbenfresser-Robben, Adeliepinguine, Atemlöcher von Walen, Tafeleisberge, kleiner Wal von Brücke (wsl. Minkewal)

Das Hauptziel dieser Expedition ist die Erforschung von erwachsenem (adult) und jugendlichem (juvenile) Krill. Krill durchläuft in seinem Lebenszyklus verschiedene Larvenstadien, bevor es sich zum Jungtier häutet. Dabei sind genaue Kenntnisse über das Leben der juvenilen Tiere erforderlich um Vorhersagen über die Entwicklung der Gesamtpopulation machen zu können. Die Arbeit der Forschungstaucher im ersten Tauchcamp hat die Hypothese bestätigt, dass sich die juvenilen Tiere im antarktischen Winter unter dem Meereis befinden. Dort finden sie Nahrung in den Eisalgen, die die Eisschollen von unten stellenweise tiefbraun färben. Außerdem hat das Tauchcamp gezeigt, dass die juvenilen Tiere in der zerklüfteten Unterwassereiswelt Schutz vor der Strömung finden. So überstehen sie den antarktischen Winter und können sich im Frühling zum erwachsenen Tier entwickeln. Die Beobachtungen und Filmaufnahmen der Forschungstaucher tragen in Kombination mit den Untersuchungen der anderen Krillforscher an Bord zu einem tieferen Verständnis des Entwicklungszyklusses bei und zeigen eindrucksvoll, wie wichtig das Meereis für den Krill und damit für das gesamte Ökosystem Antarktis ist.

Am 08.09. musste die Arbeit im Tauchcamp dann plötzlich abgebrochen werden, weil die Scholle innerhalb weniger Stunden auseinandergebrochen ist. Wissenschaftler, Crew und Helikopterteam arbeiteten Hand in Hand bei der Evakuierung der Scholle und nach wenigen Stunden war die Arbeit getan. Seitdem befinden wir uns auf der Fahrt in östlicher Richtung entlang des 60ten Breitengrades, bevor wir uns wieder südlich bewegen um eine geeignete Scholle für das zweite Eiscamp zu finden. Das soll wieder in einem Gebiet erfolgen, wo der antarktische Zirkumpolarstrom (ACC: Antarctic Circumpolar Current) auf die Weddellströmung (Weddell Gyre) trifft. Jetzt werden wieder vermehrt Planktonnetze und CTDs gefahren. Außerdem erfolgen Luftobservationen der Wirbeltiere (Robben, Pinguine, Wale) vom Helikopter aus. Gestern konnte ich die niederländische Arbeitsgruppe bei einem Helikopterflug begleiten. Eine Stunde lang flogen wir bei strahlendem Sonnenschein und – 15 °C einen Rechteckkurs über das Packeis, wobei die Wirbeltiere kartiert wurden. Tafeleisberge, Krabbenfresserrobben, Adeliepinguine, Atemlöcher der Wale und irgendwann taucht dann wieder Polarstern am Horizont auf. Ein unbeschreibliches Erlebnis.

Schöne Grüße und bis denn

Torsten Nitsch

To be continued …

Vierter Wochenbericht

Datum Tätigkeiten Arbeitsgruppe etc. Legphase/Bemerkungen
Do. 29.08. Mikroskopieren und Fotografieren Plankton (0 – 20 m)
Anfertigung Wochenbericht
Tagesbriefing
Damms/Meyer
Selbst
Fahrtleitung
SUIT, Eisobservation, ca. 40 Adelie-Pinguine

Fr. 30.08. Schichtdienst CTD
Mikroskopieren und Fotografieren Plankton (0 – 20 m)
Isolation Zooplankton für DMSP-Messung
Tagesbriefing/eigener Vortrag School meets Science/Pupils meet Scientists
Klaas
Damms/Meyer
Damms
Fahrtleitung

Kaiserpinguin, erste Eisarbeiten, Anfahrt auf Scholle für erste Eisstation, Handnetz, Sonne mit zwei Halos, SUIT mit Krill

Sa. 31.08. Sicherheitsbriefing Eisarbeit
Eisarbeit: Eisbohrkerne
Tagesbriefing/Vorträge
Freier
Damms
Fahrtleitung
3 Gruppen Adelie-Pinguine, eine davon mit  1100 Tieren, Sicherung der Scholle, erster Einsatz auf dem Eis, sehr lehrreich, Einrichtung Eiscamp

So. 01.09. Vorbereitung Eiscamp
Vorbereitung Analyse Eisbohrkerne (Eisalgen, Zooplankton Brine)
Eisarbeit: Observation Position  für Eisbohrkernentnahme
Freier
Damms

 
Mo. 02.08. Eisarbeit: Eisbohrkerne
Probenaufbereitung, Mikroskopieren, Fotografieren
Lebensgemeinschaft Eisbohrkerne , Isolation Zooplankton für DMSP-Messung
Handnetz (neue Mechanik, 0 – 20 m): Mikroskopieren,
Fotografieren Phytoplankton
Sicherheitsdienst Eiscamp auf Brücke
Tagesbriefing/Vorträge
Damms
Damms/Meyer
Meyer

Fahrtleitung/Crew
Fahrtleitung

3 Minkewale, 10 Kaiserpinguine neben dem Schiff, abends vmtl. drei schlafende Robben (ca. 50 m vom Schiff), Einrichtung Eiscamp, Bohren Löcher für Untereisarbeit

Di. 03.08. Sicherheitsdienst Eiscamp auf Brücke
Mikroskopieren, Fotografieren Lebensgemeinschaft Eisbohrkerne
Isolation Copepoden für DMSP-Messung
Eisarbeit: Eisbohrkerne
Fahrtleitung/Crew
Damms/Meyer
Damms
Damms
2 Pelzrobben, 3 Kaiserpinguine an der Gangway, Domo Tent Helikopter

Die letzten Tage standen ganz im Zeichen der Vorbereitung auf das erste Eiscamp. Dazu musste zuerst einmal eine geeignete Scholle mit Satelliten- und Hubschrauberunterstützung gefunden werden. Diese muss bestimmte Kriterien bzgl. Sicherheit und Heterogenität erfüllen, damit mit den Untersuchungen möglichst viele Kleinstlebensräume im und unter dem Meereis bei maximaler Sicherheit für Mensch und Material erfasst werden können. Das war nach zwei Tagen geschafft und seitdem hat Polarstern an einer geeigneten Scholle, die mehrere Kilometer im Durchmesser misst, festgemacht. Die Scholle driftet mit 0,6 Knoten in nordöstlicher Richtung raus aus der im Uhrzeigersinn verlaufenden Weddellströmung in Richtung des antarktischen Zirkumpolarstroms. Das ist günstig für die Forschungen, da sich zwischen den Strömungen die biotischen und abiotischen Faktoren ändern, die hier mit verschiedenen Methoden erfasst werden.

Um die Scholle auf ihre Eignungsfähigkeit als sicheren Arbeitsplatz zu prüfen betrat zuerst eine Sicherheitsgruppe, die mit Rettungsanzügen, Sicherheitsleinen und Messgeräten ausgestattet war, das Eis. Nachdem dann der sichere Bereich mit schwarzen Flaggen begrenzt worden war, konnte der Aufbau des Eiscamps und die Eisarbeit der verschieden Forschungsgruppen beginnen.

Ich arbeite zur Zeit in einer Arbeitsgruppe, die sich mit den chemischen Verhältnissen und der Lebensgemeinschaft im Meereis befasst. Hier liegt der Schwerpunkt auf der klimarelevanten schwefelorganischen Verbindung DMSP. Diese findet, ausgehend von den Kieselalgen, die sich in den Salzkanälen des Meereises (Brine Chanels) befinden, Eingang in die Nahrungskette. Um dieses näher untersuchen zu können, nehmen wir Eisbohrkerne und schneiden sie in 10 cm dicke Stücke. Das Eis wird dann mit 2 L Seewasser pro 10 cm Eisbohrkern versetzt und bei + 4 °C geschmolzen. Anschließend wird das Schmelzwasser durch ein 20 µm-Netz gefiltert, um die Lebewesen darin , die im Netz hängen bleiben, quantitativ ernten zu können. Diese werden dann unter dem Binokular isoliert, fotografiert und für die DMSP-Messung aufbereitet. Eine deutsche Wissenschaftlerin des AWI misst dann DMSP gaschromatographisch.

Eine schwedische Wissenschaftlerin befasst sich mit Messungen von Quecksilberverbindungen im Eis. Ein deutscher Wissenschaftler, der an einem Institut in Frankreich arbeitet, misst die chemischen Verhältnisse in der Schneeauflage mit besonderem Augenmerk auf klima- und Ozonrelevante Halogenverbindungen. Ein deutsches Team untersucht die Entstehung von Ikait, einer klimarelevanten Calciumcarbonat-Modifikation. Das Tauchteam, das aus deutschen, südafrikanischen und türkischen Wissenschaftlern besteht, beschäftigt sich mit der Ernte von Krilllarven unter dem Eis, die dann von der Arbeitsgruppe der Fahrtleiterin vermessen und physiologisch untersucht werden. Außerdem dokumentieren die Taucher die Struktur der Kleinstlebensräume unter dem Eis. Sie werden dabei von einem australischen Team mit einem Tauchroboter (ROV: Remote Operating Vehicle) unterstützt. Parallel dazu werden weiterhin CTDs gefahren und ein niederländisches und ein russisch/kanadisches Team untersuchen Planktonnetzfänge quantitativ. Das niederländische Team zählt außerdem vom Hubschrauber aus Vögel und Säugetiere. So entsteht durch internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit ein möglichst umfassendes Bild des Lebensraumes Meereis. An diesem Prozess aktiv beteiligt zu sein, ist für mich eine tägliche Freude und so ganz nebenbei nehmen die Planungen für geeignetes Unterrichtsmaterial in meinem Kopf immer konkretere Formen an. Besser, aktueller und näher dran geht nicht. Ich bin jeden Tag dankbar für diese außergewöhnliche Zeit auf Polarstern.

Herzliche Grüße aus dem Weddellmeer

Torsten Nitsch

To be continued.